30 Jahre ArbeitnehmerInnenschutzgesetz

30 Jahre ArbeitnehmerInnenschutzgesetz: Wie steht es um die Umsetzung in Österreichs Betrieben? Eine neue FORBA-Studie, die anlässlich des 30-Jahre-Jubiläums des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) erschienen ist, zeigt: Das Gesetz hat zahlreiche Verbesserungen im Bereich des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes gebracht, es gibt aber in einigen Bereichen dringenden Anpassungs- und Handlungsbedarf.

Die Studie „Arbeitnehmer:innenschutz in Österreich: Eine Bestandsaufnahme – mit Zukunft“ wurde von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) im Auftrag der AK Wien und in Zusammenarbeit mit dem ÖGB durchgeführt. 

Kern der Untersuchung ist eine Analyse der Wirkungsgeschichte des ASchG sowie eine Bestandsaufnahme seiner Entwicklung vor dem Hintergrund einer sich verändernden Arbeitswelt mit neuen Risiken und Gefahren am Arbeitsplatz. Die Studie liefert Schlussfolgerungen im Hinblick auf dessen notwendige Weiterentwicklung zum Schutz der Arbeitnehmer:innen vor psychischen und körperlichen Gefahren am Arbeitsplatz.

Die Studie bestand aus einer extensiven Literaturanalyse, Interviews mit Expert:innen aus themenrelevanten Berufsfeldern, einer Online-Erhebung unter Betriebsratsvorsitzenden in Österreich und Sicherheitsvertrauenspersonen in Wien sowie aus branchenspezifischen Schwerpunktanalysen anhand von Betriebsfallstudien.

Die rund 2.000 befragten Betriebsratsvorsitzenden geben an, dass viele Betriebe mit der Umsetzung des ASchG im Rückstand sind. Demnach wird in 30 Prozent der Betriebe die Arbeit (eher) nicht so gestaltet, dass sie sicher und gesund bis zur Pension ausgeübt werden kann. In fast 30 % der Betriebe gibt es keine regelmäßige Ermittlung körperlicher und psychischer Belastungen – und damit keine Schutzmaßnahmen. Bei Betrieben mit 21-50 Beschäftigten sind dies sogar rd. 40 %. 

In Großbetrieben und bei guter Einbindung des Betriebsrats in betriebliche Organisationsprozesse und Entscheidungsstrukturen steigt auch das Ausmaß der ASchG-konformen Umsetzung der Schutzmaßnahmen im Betrieb.

Die Bedeutung des ASchG heute

Die befragten Expert:innen sind sich einig, dass die Einführung des ASchG vor 30 Jahren einen Meilenstein in der rechtlichen Absicherung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer:innen darstellt. Dies deshalb, weil die Arbeitgeber:innen damit erstmals verpflichtet wurden, sich aus ihrer Verantwortung heraus um den Sicherheits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten zu kümmern. Dennoch wird von den Expert:innen bemängelt, dass etliche arbeitnehmer:innenschutzrelevante Themen nach wie vor ungeregelt sind. Dies betrifft etwa das Fehlen einer umfassenden Evaluierungsverordnung bzw. einer Lastenhandhabungsverordnung oder die fehlenden Ressourcen in der Arbeitsinspektion, die es für eine schlagkräftige Arbeitsinspektion brauchen würde – zum Schutz vor krankmachenden Arbeitsbedingungen.

Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz haben sich verändert

In den letzten Jahrzehnten haben sich beträchtliche sozio-ökonomische und arbeitsmarktbezogene Veränderungen vollzogen. Dienstleistungen wurden insgesamt bedeutsamer, Prozesse der Automatisierung und Digitalisierung haben stattgefunden, und der Anteil an Frauen, Migrant:innen und älteren Personen an der Erwerbsbevölkerung ist gestiegen. Gleichzeitig lassen sich vermehrt atypische und prekäre Arbeitsverhältnisse finden. Mit dem Strukturwandel verändern sich auch die Gesundheitsrisiken und -gefahren für die Beschäftigten: Manche körperlichen Belastungen verlieren an Bedeutung, bestimmte ergonomische Risiken bestehen weiter fort (etwa repetitive Bewegungen, das Bewegen schwerer Lasten sowie langes Stehen und Sitzen). 

Überdies nimmt die Bedeutung psychischer Risiken und Gefahren am Arbeitsplatz deutlich zu. Gerade die zunehmende Digitalisierung führt oft zu einer Verdichtung der Arbeit, gestiegenen Flexibilisierungs- und Mobilitätsanforderungen, aber auch einem Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit etc. Die Krankenstandsursachen haben sich über die letzten Jahrzehnte deutlich verschoben, weg von Verletzungen infolge von Arbeitsunfällen hin zu psychischen Erkrankungen.

Herausforderungen für die Zukunft

Arbeitsbedingter Krebs ist nach wie vor die häufigste Todesursache am Arbeitsplatz, aktuelle risikobasierte Grenzwerte fehlen jedoch in Österreich. Verbindliche Obergrenzen für das Bewegen von Lasten (z.B. deutsche Leitmerkmalmethoden) ebenso, zwar hat sich die Arbeitswelt in den letzten 30 Jahren verändert – ergonomische Gefahren für die Beschäftigten bestehen jedoch nach wie vor. 

Bezogen auf psychische Risiken/Gefahren am Arbeitsplatz fehlt Arbeitgeber:innen in der Regel eigenes Know-how sowie die Expertise von Expert:innen in diesem Feld. Diesbezüglich sind Arbeits- und Organisationspsycholog:innen wichtige Ressourcen und sollten daher verstärkt in den betrieblichen Sicherheits- und Gesundheitsschutz eingebunden werden. Auch im Hinblick auf Gewalt(androhung) am Arbeitsplatz müssen die Arbeitgeber:innen vermehrt sensibilisiert werden. Das Thema Gewalt muss verstärkt in der Arbeitsplatzevaluierung berücksichtigt werden.

Darüber hinaus bedarf es angesichts der sich verschärfenden Klimakrise verbindlicher Handlungsanordnungen für Arbeitgeber:innen zum Schutz der Beschäftigten vor übermäßiger Hitze am Arbeitsplatz.

Link zur Studie „Arbeitnehmer:innenschutz in Österreich: Eine Bestandsaufnahme – mit Zukunft“: https://wien.arbeiterkammer.at/service/presse/FORBA_Studie_ASchG_202406.pdf.