Fragen an Herrn Präsident DDr. Karl Hochgatterer MSc – Österreichische Gesellschaft für Arbeitsmedizin (ÖGA)
Die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind wesentliche Faktoren für den Erfolg eines Unternehmens. Wie sehen Sie das aus Sicht der Arbeitsmedizin? Können Sie uns ein Beispiel aus der Praxis nennen, wie Arbeitsmediziner:innen dazu beitragen können?
Arbeitsmediziner:innen sind Berater:innen für Unternehmen in allen Fragen der Gesundheit und Leistungsfähigkeit im Setting Arbeit. Sie schaffen damit einen Mehrwert für das Unternehmen, der sich im Erhalt, in der Förderung bzw. Wiederherstellung von Arbeits- und Leistungsfähigkeit sowie in erhöhter Motivation der Beschäftigten zeigt. Arbeitsmediziner:innen bieten ein umfassendes Leistungsspektrum an ganzheitlichen Lösungsansätzen an, die über das Aufzeigen bestehender Mängel bzw. die Durchführung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen weit hinausreichen. Als Beispiel sei die ergonomische Gestaltung von Montagearbeitsplätzen genannt, die im Unternehmen den Erhalt der Leistungsfähigkeit von Beschäftigten mit höherem Lebensalter bis zum Übertritt in die Pension sicherstellt.
Welche Bedeutung hat der demografische Wandel, insbesondere die Überalterung der Gesellschaft, sowie die zunehmende Digitalisierung der Arbeitsprozesse für die Arbeitsmedizin? Inwiefern haben sich die Aufgaben der Arbeitsmediziner:innen in den letzten Jahren verändert?
Die Zunahme bei den älteren Beschäftigten ist in der Tat eine Herausforderung für die Gesellschaft und daher auch für die Betriebe. Vorrausschauende Personalpolitik auf der einen Seite und Gestaltung von Arbeitsprozessen auf der anderen Seite sind wichtige Lösungsansätze. Ein weitere zentraler Punkt ist die Gesunderhaltung der Beschäftigten durch primärpräventive Ansätze auf Basis der Erkenntnisse der Präventivmedizin. Das Konzept der Verhaltensprävention bedarf der Kompetenz von Arbeitsmediziner:innen. Nur so kann es gelingen die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der arbeitenden Menschen zu erhalten entsprechend einem Leitsatz in der Sportmedizin „20 Jahre 40 bleiben…“. Dieser Halbsatz bringt zum Ausdruck, dass Menschen die Möglichkeit haben, ihren Körper durch richtiges Training im Zustand der guten Leistungsfähigkeit eines vierzigjährigen Menschen zu erhalten. Die Entwicklung von Gesundheitskompetenz ist Teil einer guten arbeitsmedizinischen Versorgung. Der durch die Digitalisierung erforderliche Wissenserwerb muss Teil der Personalpolitik eines Unternehmens sein. Fehler dabei können vielfältige Auswirkungen im Betrieb haben, die vom Motivationsverlust bis zum Burnout reichen. Aufgabe der Arbeitsmedizin ist es, darauf hinzuweisen und im Einzelfall rasch zu reagieren.
Was umfasst die arbeitsmedizinische Betreuung im Betrieb? Welche Leistungen bieten Sie den Unternehmen konkret an?
Die Aufgabenstellungen sind einerseits klar im ASchG festgelegt. Darüber hinaus sind es Aufklärungsarbeit und Schulungen, Vermittlung von Gesundheitswissen zur allgemeinen Prävention und Prävention von impfpräventablen Krankheiten.
Wo sehen Sie Anknüpfungspunkte zwischen der Arbeitsmedizin und dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement?
Diese Frage möchte ich in der Form, in der sie gestellt ist, nicht im Raum stehen lassen. Ganzheitliche Arbeitsmedizin umfasst drei Handlungsfelder: ArbeitnehmerInnenschutz – Gesundheitsförderung und -beratung sowie Eingliederungsmanagement. Sie ist daher ein Synonym für Betriebliches Gesundheitsmanagement. Wir Mediziner:innen im arbeitsmedizinischen Setting sehen uns als „die“ Gesundheitsmanager:innen schlechthin. Wer, wenn nicht Ärzt:innen, sind in der Lage Erkenntnisse der Präventivmedizin kompetent und glaubhaft zu kommunizieren und umzusetzen. Beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement von akut oder chronisch erkrankten Beschäftigten kann es ohne medizinisches Fachwissen keine Lösungen geben. Den Arbeitsmediziner:innen obliegt die Rolle der Gesundheitsmanager:innen, die sie - im Sinne eines Lotsen - unter Einbeziehung weiterer Fachleute ausüben sollten.
Wie kann es gelingen, die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure im Betrieb im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements weiter zu stärken?
Um BGM in einem Unternehmen erfolgreich zu implementieren bzw. es erfolgreich zu leben ist selbstverständlich die Kooperation von zahlreichen Akteur:innen erforderlich. Dabei unterscheidet sich das BGM nicht von anderen Fragestellungen im ArbeitnehmerInnenschutz. Die gute Organisation der betrieblichen Abläufe eines BGM impliziert eine gute Zusammenarbeit. Somit kann die Präsentation von Best Practice-Beispielen die Möglichkeiten der erforderlichen Zusammenarbeit von unterschiedlichen Akteur:innen aufzeigen.
Was ist aus Sicht der Arbeitsmedizin erforderlich, um die Sicherheit und Gesundheit in Betrieben aller Größen und Branchen in Österreich zu verbessern? Welchen Beitrag kann das Betriebliche Gesundheitsmanagement dazu leisten?
Dazu benötigen die Unternehmen die konsequente Weiterentwicklung des ArbeitnehmerInnenschutzes. Dazu sollte das Wissen um Gesundheitsfragen bei den Menschen verbessert werden. Um das Ziel, die Menschen im betrieblichen Setting gesund zu erhalten, zu erreichen, bedarf es natürlich der entsprechenden Managementmethoden und betrieblichen Zielvorgaben, um langfristig Verbesserungen zu erreichen. Aus meinen obigen Positionen ergibt sich dabei eine zentrale Rolle der Arbeitsmedizin.
Herzlichen Dank für das Interview!