In Österreich gelten rund 5% der Bevölkerung (2,5% der Frauen und 7,5% der Männer) als alkoholabhängig. Das sind ungefähr 370.000 Menschen. Etwa 14% (1 Million Menschen) zeigen ein problematisches Konsumverhalten von Alkohol. Etwa 30% der Menschen in unserem Land rauchen, davon 24% täglich.
Auch wenn Alkohol weiterhin das gängigste Suchtmittel ist, zeigen aktuelle Untersuchungen, dass die Medikamentensucht immer mehr in den Vordergrund rückt. Zirka 2% (130.000) der Menschen sind medikamentenabhängig (Schlaf- und Beruhigungsmittel) und an die 30.000 abhängig von Opiaten (Heroin).
Medikamentensucht hat auch wesentlich mit den Arbeitsbedingungen zu tun, wie etwa ständigem Leistungsdruck, Zeitmangel, ständiger Erreichbarkeit. Hier greifen viele Beschäftigte zu Medikamenten, um ihre kognitiven Fähigkeiten zu verbessern oder zur allgemeinen Leistungssteigerung, aber auch Schmerzmittel, Schlafmittel oder Grippemittel werden eingenommen, um den Anforderungen des Arbeitsalltags gewachsen zu sein und/oder Fehlzeiten zu vermeiden. Die Pandemiejahre haben diesen Trend nochmals verstärkt. Auch substanzungebundene Süchte, wie z.B. Spiel- oder Internetsucht bringen soziale oder gesundheitliche Belastungen mit sich.
Sucht entwickelt sich
Süchtig wird man jedoch nicht von heute auf morgen. Eine Abhängigkeit entwickelt sich meist über einen längeren Zeitraum. Die Grenzen zwischen Genuss, Missbrauch und Abhängigkeit sind dabei oft fließend und können lange Zeit unbemerkt bleiben.
Generell gilt: Wer substanzgetrübt arbeitet, gefährdet nicht nur sich selbst, sondern auch Kollegen:Kolleginnen. Die für die Arbeit erforderliche Aufmerksamkeit und Konzentration ist deutlich reduziert, ebenso ist die Einschätzung von Risiken nicht mehr im benötigten Ausmaß gegeben. Dieser Umstand kann zu Arbeitsunfällen, Krankenständen und dauerhafter Arbeitsunfähigkeit führen.
Mögliche Folgen von Suchtkonsum am Arbeitsplatz
Sinken der Arbeitsleistung der Betroffenen (gem. Untersuchungen um bis zu -25%)
Vermehrte Krankenstandstage (um bis zu +17% bei suchtgefährdeten Personen)
Ein erhöhtes Risiko im sicherheitsrelevanten Bereich durch erhöhte Risikobereitschaft und herabgesetzte Wahrnehmungsfähigkeit für die Betroffenen als auch für das ganze Team
Negativer Einfluss auf das Arbeitsklima durch problematisches Suchtverhalten einzelner Teammitglieder (z. B. Entstehen von Co-Abhängigkeiten, gemeint ist das „Vertuschen“ von Fehlleistungen und der verminderten Arbeitsleistung von suchtkranken Kollegen:Kolleginnen)
Verhaltensänderungen (z.B. auffälliges oft distanzloses, gereiztes Auftreten) können zu Problemen mit Kunden:Kundinnen und/oder Kollegen:Kolleginnen sowie Vorgesetzten führen
Was können Arbeitgeber:innen tun?
Einerseits haben Arbeitgeber:innen mit der Schaffung von gesunden Arbeitsbedingungen, einem fairen und wertschätzendem Betriebsklima ein wichtiges Instrument in der Hand, um Sucht am Arbeitsplatz präventiv zu bekämpfen. Wer sich wohl und wertgeschätzt fühlt, in einer guten Arbeitsorganisation tätig ist, wird eher Motivation und Freude bei der Arbeit empfinden und eine entsprechende Arbeitsleistung erbringen, ohne auf Suchtmittel zurückgreifen zu müssen.
Andererseits ist es wichtig, dass Unternehmen konkrete Regelungen für den Umgang mit Substanzmissbrauch am Arbeitsplatz festlegen und diese auch aktiv und transparent an alle ihre Beschäftigten kommunizieren. Es empfiehlt sich die Implementierung eines betrieblichen Suchtpräventionsprogramms, das an die individuellen Gegebenheiten des Betriebes angepasst ist, für dieses Thema sensibilisiert und Wissen vermittelt. Unsicherheiten im Umgang mit Betroffenen seitens der Führungskräfte als auch der Beschäftigten können so überwunden, Gesprächsführung geschult und entsprechende Präventions- und Interventionsmaßnahmen gesetzt werden. Das führt zu mehr innerbetrieblichem Verständnis und höherem Problembewusstsein für die Risiken im Zusammenhang mit Suchtverhalten im ganzen Unternehmen und bewirkt, dass gefährdete Arbeitnehmer:innen frühzeitig Hilfe erhalten und als wertvolle Fachkräfte für das Unternehmen erhalten bleiben.
„Handeln statt Wegschauen“ muss zum betrieblichen Motto gemacht werden.
Rechtliche Grundlagen für Suchtprävention am Arbeitsplatz
Die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber:innen für ihre Beschäftigten ist im §3 (1) ASchG festgelegt: „Arbeitgeber sind verpflichtet, für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug auf alle Aspekte(...) Arbeitgeber haben die zum Schutz des Lebens, der Gesundheit sowie der Integrität und Würde erforderlichen Maßnahmen zu treffen, einschließlich der Maßnahmen zur Verhütung arbeitsbedingter Gefahren, zur Information und zur Unterweisung (…)“.
D.h. lassen Arbeitgeber:innen wissentlich Mitarbeiter:innen durch Substanzmittel berauscht arbeiten, so verstoßen sie gegen ihre Fürsorgepflicht und nehmen auch in Kauf, dass durch nicht einsetzbare Mitarbeiter:innen andere Arbeitnehmer:innen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgesetzt werden.
Aber auch Beschäftigte haben eine sogenannte „Treuepflicht“ gegenüber dem:der Arbeitgeber:in. §15 (4) ASchG besagt: „Arbeitnehmer dürfen sich nicht durch Alkohol, Arzneimittel oder Suchtgift in einen Zustand versetzen, in dem sie sich oder andere Personen gefährden können“.
Mit der Implementierung eines betrieblichen Suchtpräventionsprogramms können Betriebe nicht nur ihre gesetzlich geforderte Fürsorgepflicht erfüllen, sondern auch die Arbeitsbedingungen, das Arbeitsklima sowie Gesundheit und Arbeitssicherheit ihrer Beschäftigten nachhaltig verbessern.
Als Beispiel für ein erfolgreich etabliertes betriebliches Suchtpräventionsprogramm kann hier Stepcheck in der Arbeitswelt, welches vom Institut Suchtprävention der Pro Mente Oberösterreich und der AUVA in OÖ angeboten wird, genannt werden. Ansprechpartner AUVA-Landestelle Linz ist Arbeitspsychologe Mag. Klaus Bohdal. Mehr Informationen zu diesem Projekt unter: STEPCHECK in der Arbeitswelt | Stepcheck
Informationen und Angebote der AUVA
Merkblatt M 015.1 „Vom Konsum zum Genuss – Alkohol im Betrieb“
Stepcheck in der Arbeitswelt STEPCHECK in der Arbeitswelt | Stepcheck
Folder AUVA: Sicher? Sicher nicht mit Alkohol Folder "Sicher nicht mit Alkohol" (auva.at)
SV-Buch: „Alkohol zwischen Genuss und Gefahr“ Alkohol (sozialversicherung.at)
Quellen
Factsheet Sucht, Abhängigkeit und Substanzkonsum, Version 2.21, Dez. 2021, Institut Suchtprävention pro Mente OÖ
VIVID Suchtstatistik Ö Suchtstatistik - VIVID - Fachstelle für Suchtprävention
Factsheet Alkoholprävention, Executive Summary, Strategie Alkoholprävention der SV, 2022
Interview mit Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek, Arbeitsdoping: „wir brauchen ein erhöhtes Problembewusstsein“ -Gesunde Arbeit 3/2020 Stepcheck in der Arbeitswelt
Webinar 2022: Sucht am Arbeitsplatz- Privatsache, Tabu, Leitungsaufgabe? Mag. Martin Weber, Verein Dialog
Allgemeine Unfallversicherungsanstalt
Dr.in Isabel Kaufmann | Arbeitsmedizinerin in der Abteilung Unfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfung | isabel.kaufmann@auva.at