Muskel-Skelett-Erkrankungen in der Arbeitswelt

Laut Fehlzeitenreport 2021 des WIFO sind Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) und Atemwegserkrankungen die am weitesten verbreiteten Krankheitsgruppen. Zusammen verursachen diese Erkrankungen 47,1% der Krankenstandsfälle und 39,9% aller Krankenstandstage. Wir nahmen dieses Thema zum Anlass und führten ein Interview mit einer Expertin der Arbeitsmedizin und Orthopädie sowie der Projektleitung von fit2work.

Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Muskel-Skelett-Erkrankungen?

Drin Olufeyimi: Unter dem Begriff Muskel-Skelett-Erkrankungen versteht man Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates, dazu zählen degenerative Erkrankungen der Wirbelsäule, der Gelenke, der Muskeln, Sehnen sowie Bändern. Seien es nun Erkrankungen der Halswirbelsäule, Arthrosen der Handgelenke, Abnutzungen in den Kniegelenken, um nur einige Beispiele zu nennen.

Arbeitsbedingte MSE-Erkrankungen sind ein wesentliches Gesundheitsproblem. Was sind deren Ursachen?

Drin Olufeyimi: Arbeitsbedingte Muskel-Skelett-Erkrankungen sind oft auf körperlich schwere Tätigkeiten zurückführen. Weitere Ursachen können allerdings auch langes Sitzen oder häufig wiederholte Hand- oder Armbewegungen sein, also physische Fehlbeanspruchungen. Nicht zu vergessen sind jedoch auch Einwirkungen des unmittelbaren Arbeitsumfeldes wie Stress, fehlerhaft ausgestattete Arbeitsplätze oder mangelnde Arbeitsorganisation.

Was beobachten Sie bei fit2work in der Arbeit mit Kundinnen und Kunden?

Mag.a Scholz-Resch: Bei Kundinnen und Kunden von fit2work sind die häufigsten gesundheitlichen Beschwerden im Bereich der Psychischen und Verhaltensstörungen (36,3%), sowie Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und Bindegewebes (36,2%). Dabei ist auffällig, dass der Anteil an Muskel- und Skeletterkrankungen in den letzten Jahren stetig zunahm. In den Betrieben werden Belastungen und Erkrankungen des Bewegungsapparats in Form von Fehlzeiten der Belegschaft sichtbar und spürbar. Kranke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind teuer. Entgeltfortzahlung, aber auch zusätzliche finanzielle Belastungen aufgrund anfallender Mehrstunden der Belegschaft, Einstellung von neuem Personal oder Produktionsausfälle bringen finanzielle Belastungen für die Unternehmen mit sich.

Drin Olufeyimi:  Bei meiner Tätigkeit als Arbeitsmedizinerin bei fit2work konnte ich vermehrt beobachten, dass die Beschwerden seitens des Stütz- und Bewegungsapparates deutlich an Intensität zunehmen. Auffällig ist, dass immer mehr jüngere Patientinnen und Patienten über Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule oder Gelenke klagen. Sei es der Schlosser, der ein Bandscheibenvorfall erlitten hat oder eine Sekretärin, die muskuläre Verspannungen beschreibt. Dies zeigt uns - überspitzt formuliert, dass MSE vor keinem Alter Halt macht und dementsprechend rechtzeitig etwas getan werden sollte.

Wie können Betriebe ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dahingehend unterstützen?

Drin Olufeyimi:  Eine Möglichkeit, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Betrieben zu unterstützen, ist die Betreuung durch eine Arbeitsmedizinerin oder einen Arbeitsmediziner, deren Aufgabe u.a. die sogenannte arbeitsmedizinische Begehung ist:

  • Bietet der Arbeitsraum genügend Arbeitsfläche pro Arbeitsplatz?
  • Sind die Kabel so verlegt, dass sie keine Stolperstellen bilden?
  • Werden Direktblendung und Reflexblendung durch Leuchten bzw. Tageslicht vermieden?
  • Ermöglicht die Tischhöhe (in Verbindung mit dem Arbeitsstuhl) eine ergonomisch günstige Arbeitshaltung und ausreichende Beinfreiheit?
  • Ist die Aufstellungshöhe des dreh- und neigbaren Bildschirms so, dass die Sehachse bei Blick auf die Bildschirmmitte etwa 35° abwärts geneigt ist?

Um nur einige Punkte anzuführen.

Auch die Einholung von Expertinnen und Experten zwecks Schulung und Beratung ist zu empfehlen. Insbesondere hier besteht für Betriebe die Möglichkeit, Kosten zu sparen, denn rechtzeitige Prävention kann längere Ausfälle durch z.B. Fehlhaltung oder Burnout deutlich reduzieren.

Wie kann fit2work dahingehend unterstützen?

Mag.a Scholz-Resch: fit2work bietet österreichweit ein kostenloses Angebot für Personen und Betriebe. In der Personenberatung werden die Kundinnen und Kunden bei ihren jeweiligen gesundheitlichen Belastungen durch Expertinnen und Experten der Arbeitsmedizin, Arbeitspsychologie und Case Management unterstützt, um so die Arbeitsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen. Um nach einem längeren Krankenstand den beruflichen Wiedereinstieg nachhaltig zu sichern, gibt es - um ein Beispiel zu nennen - die Möglichkeit einer Wiedereingliederungsteilzeit (WIETZ). Fit2work unterstützt hierbei Betroffene bei der Beantragung einer WIETZ, sorgt für den notwendigen Termin bei der Arbeitsmedizin und berät rund um den Wiedereinstieg. Mit einem individuell zugeschnittenen Wiedereingliederungsplan werden so Beschäftigte in weiterer Folge stufenweise ins Arbeitsleben zurückgeführt. Während in der Personenberatung der Fokus auf dem Individuum liegt, arbeitet die Betriebsberatung im Bereich der Verhältnisse und setzt an den Strukturen an. Dabei werden Belastungen im Betrieb durch standardisierte Analyseinstrumente und Fehlzeitenmonitoring sichtbar, gemeinsam Maßnahmen dazu ausgearbeitet und der Betrieb in der Umsetzung begleitet. Zusätzlich wird ein Betriebliches Eingliederungsmanagement aufgebaut um bei Anlassfällen wie auch präventiv die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterstützen und somit längere Fehlzeiten, Erwerbsunfähigkeit vor dem Regelpensionsalter oder den Verlust von Fachkräften im Unternehmen aufgrund von Krankheit zu verhindern.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Expertinnen von fit2work:

Dr.in Oluwatosin Olufeyimi | Ärztin für Allgemeinmedizin | Ärztin für Arbeitsmedizin | Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie

Mag.a Martha Scholz-Resch | Soziologin und Case Managerin | Projektleitung fit2work Personen- und Betriebsberatung OÖ/Stmk/Ktn